Moskau Moskau
Was vorher geschah
Im vergangenen Mai brachte mich ein Kundenauftrag nach Moskau. Zwar war hatte ich diese Stadt noch nie gesehen, dafür aber umso mehr Spannendes sowie Polarisierendes darüber gelesen. Nun würde ich sie also endlich selbst kennenlernen und war voller Vorfreude. Wie es die Umstände – oder vielleicht das Schicksal – so wollten, konnte ich meine Reise zusätzlich um einen Tag verlängern. Was für eine Fügung! Da das bei meinen vielen Reisen leider oft zu kurz kommt, gönnte ich mir diese kleine private Auszeit natürlich gerne und freute mich umso mehr auf meinen Ausflug.
Meine Kollegin Irina stammt aus Moskau und wollte mich vorab dabei unterstützen, den perfekten Plan auszutüfteln, um ihre geliebte Heimatstadt an einem Tag erkunden zu können. Aber Moment mal, die größte Stadt Europas an nur einem Tag? Das klang sportlich! Unsere Köpfe rauchten und wir brainstormten: Was wollte und sollte ich unbedingt sehen? Wo ist die Schnittmenge? Und vor allem: Wie packe ich all das in ein 24-Stunden-Zeitfenster?
Das Ergebnis: Ein Besuch im Bolschoi-Theater, eine Führung im Kreml und evtl. noch ein Abstecher ins weltberühmte Kaufhaus GUM.
Hach, das Bolschoi-Theater. Ich sah mich schon unter dem glitzernden Glaslüster sitzen und begann zu träumen. Nach meiner Internetrecherche war mein Traum jäh zu Ende – ein Ticket für 870 Euro! Das konnte und wollte ich mir nicht erlauben. Irina hingegen teilte meine Resignation ganz und gar nicht. Im Gegenteil, es spornte sie an, das Unmögliche möglich zu machen. Diverse Telefonate mit alten Studienkollegen, ein reger Austausch mit ihrer Mutter vor Ort und einige Stunden später war das Wunder vollbracht. Irina rief mich an und triumphierte: „Meine Mutter hat ein Ticket für dich!“ HURRA! Die erste Hürde war geschafft! Für das perfekte Glück fehlte nun nur noch eins: das Ticket. Wäre dieses digital statt aus Papier und wäre mein Meeting in Moskau statt etwas außerhalb, wäre das alles natürlich kein Problem. Doch die Option, das Ticket schnell per E-Mail zu versenden, gab es nun mal nicht, und so musste eine andere Lösung her. Ich lernte, dass man solche Tickets nicht einfach jedem anvertrauen konnte und Irina setzte währenddessen erneut alle Hebel in Bewegung.
Endlich in Moskau
In Moskau angekommen, konzentrierte ich mich zunächst auf unser 2-tägiges Meeting und war selig, als man mir im bei Ankunft im Hotel diesen Umschlag überreichte:
Es hatte also alles geklappt. Was für eine Erleichterung!
Nach der Veranstaltung kam ich am späten Nachmittag in meiner neuen Unterkunft an. Ich bat um ein Taxi, das mich zur Vorstellung bringen sollte. Der gute Mann am Empfang meinte: „Wenn die Aufführung um 19 Uhr beginnt, starten Sie mit dem Taxi um 18 Uhr. Dann kommen Sie entspannt an.“ Das klang nach einem guten Plan. Ich machte mich also theatertauglich und war um Punkt 18 Uhr vor dem Hotel.
18:15 Uhr
Kein Taxi in Sicht. Ich werde ich leicht unruhig und frage nach. Der Rezeptionist ruft erneut bei der Taxizentrale an und meint daraufhin zu mir: „Die haben Sie scheinbar vergessen, sie schicken erneut einen Wagen…“ Ich dachte nur noch an den Riesenaufwand für die Tickets und die vielen Menschen, die dabei mitgeholfen hatten. Da wollte ich es doch zumindest schaffen, rechtzeitig anzukommen.
18:30 Uhr
Endlich biegt ein Taxi um die Ecke. Im selben Moment kommt eine gut gekleidete Dame aus meinem Hotel und springt hinein. Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie in mein Taxi eingestiegen ist und frage erneut am Empfang nach, denn inzwischen war es knapp.
„Oh“, meinte der Herr nach einem erneuten Anruf in der Taxizentrale „das war tatsächlich Ihr Taxi. Jetzt ist leider keins mehr verfügbar.“
Da bekam er – nennen wir ihn Sergej – Mitleid mit mir. Er läuft vor das Hotel, springt auf die Straße und hält jedes Auto an, das vorbeifährt. Ich kann nur ahnen, was er sagt, aber eines steht fest: Er kümmert sich.
18:35 Uhr
Endlich hält ein Wagen an, was den gesamten Feierabendverkehr zum Stillstand bringt. Sergej winkt mich zu sich und bedeutet mir so etwas wie: „Schnell, schnell, steigen Sie ein!“ In meinen hohen Hacken falle ich vor lauter Eile fast über meine eigenen Füße und lande schließlich in dem angehaltenen Auto. „Ah“, denke ich, „so sehen hier also die Taxen aus.“
„Danke, dass Sie mich mitnehmen“, sage ich auf Englisch. „Wie viel kostet es bis zum Bolschoi-Theater? Könnten sie bitte das Taxameter einschalten?“ Der Fahrer grinst breit und meint nur: „Me no taxi.“
Er fand‘s lustig, ich hingegen war mir nicht so sicher: fremde Stadt, fremder Mann, fremdes Auto. Und wo genau war ich überhaupt? Ein Blick in den Rückspiegel und in die Augen des Fahrers lässt mich diese Gedanken jedoch schnell verwerfen, denn diese strahlen Offenheit und Freundlichkeit aus. Leider sprach er kaum Englisch und mein Russisch beschränkt sich ebenfalls auf wenige Worte. So fuhr er mich schweigend zum Theater.
18:52 Uhr
Als ich aus dem Auto springe und bezahlen möchte, winkt er nur ab und sagt: „No, you in my country. Have good time!“
Einfach nur schön
Zwei Menschen haben mir mit ihrem Serviceverständnis und ihrer Gastfreundschaft eine Riesenfreude gemacht. Danke an Sergej, der sehr viel mehr getan hat, als ich erwartet hätte, und tausend Dank an Khachatur, der mir ein wunderbares Gefühl des Willkommenseins vermittelt hat.
Ihr seid unsere Service-Heroes!